MUSIK ZWISCHEN NOTWENDIGKEIT UND FREIHEIT
Web page zum Abschlussseminar "Freiheit" des Cusanuswerks in Schmochtitz/Sachsen, 2003, Gruppe "Musik"



ILDAR KHARISSOV

Kontakt: kharissov(a)gmx.de

Guestbook und Forum FREIHEIT 2003

AKTUELLES
(updates, Konzerte, Filme etc.)



Jeder, der jemals Musikunterricht hatte, kennt es: statt dem Notentext oder den Hinweisen des Lehrers exakt zu folgen, moechte man der Musik ploetzlich etwas Eigenes hinzufuegen, z.B. etwas im Tempo, Ausdruck oder zumindest im Fingersatz, manchmal sogar etwas in der Melodie, Harmonie oder im Rhythmus aendern. Frueh genug wird aber dem Musikschueler der Unterschied zwischen einer erwuenschten interpretatorischen Freiheit und einer unerlaubten Willkuer suggeriert; frueh genug wird der neugierige Anfaenger mit den tatsaechlichen oder aber nur vermeintlichen Normen der Musiksprache und des "Musikverhaltens" konfrontiert.

In aehnlicher Weise kann man das Verhaeltnis eines Komponisten oder gestandenen Interpreten zur Musiktradition beschreiben. Jedes Zeitalter, jede Stilrichtung - sei es die akademische kompositorische Musik (die sog. Klassik), sei es Jazz, Rock- oder Popmusik, sei es aber auch die ethnisch- bzw. regionalspezifische Musikfolklore - verfuegt ueber bestimmte Konventionen der Musiksprache, -form und -aesthetik. In jeder Musikrichtung gibt es jedoch ein breites Spielfeld zwischen notwendigen, gattungsbildenden Charakteristika und dem, was gemeinhin als kompositorische bzw. interpretatorische Freiheit bezeichnet wird. Ein Paradoxon: fast jeder grosse Komponist bzw. Interpret beschraenkt sich freiwillig sogar in dieser ihm von der Tradition vorgegebenen kuenstlerischen Freiheit, schafft seine eigenen Gesetze, Normative, "Tabus" - und kommt just auf diese Weise zu einem persoenlichen, unverwechselbaren Stil. So schrieb beispielsweise Igor Strawinsky (1882-1971) in seiner "Musikalischen Poetik":
Meine Freiheit wird um so groesser und umfassender sein, ... je mehr Hindernisse ich ringsum aufrichte. Wer mich eines Wiedersandes beraubt, beraubt mich einer Kraft. Je mehr Zwang man sich auflegt, um so mehr befreit man sich von den Ketten, die den Geist fesseln.

Im Rahmen des Seminars sollen moeglichst unterschiedliche Auspraegungen der Freiheit in der Musik besprochen - und ggf. in Form von Musikimprovisationen mit vorhandenen Mitteln (Musikinstrumenten, Chipstueten, Glasflaschen usw.) praktisch umgesetzt werden. Die einzelnen Sitzungen koennen folgenden Themen gewidmet werden:

1. Freiheit und Konvention in der akademischen Musik
- Ludwig van Beethoven: Schrei nach Freiheit in strengen Saetzen
- Frederic Chopin. Romantischer Aufschwung
- Arnold Schoenberg. Von freier "Atonalitaet" zur Zwoelftontechnik


2. Geheimnisse der Improvisation:
- Ich weiss nicht, was ich spielen soll... Unerwartete Klaenge.
- Jazz. Komposition und Improvisation
- freirhythmische Gesänge der Turkvoelker: uzun hava (Tuerkei), mugham (Aserbaidschan), "gedehnte" tatarische Volkslieder u.a.


3. Musikmeditationen:
- John Cage. Alles ist Musik?
- Sofia Gubaidulina. Darf eine russisch-orthodoxe Christin die "Johannespassion" vertonen?


Man kann das Thema "Freiheit" aber auch unter anderen musikbezogenen Aspekten behandeln. Als Stichpunkte seien hier genannt:
- die (ggf. nicht vorhandene) persoenliche Freiheit von Musikern und/oder Zuhoerern, z.B.
Musiker als Leibeigene,
Musik in einem Diktaturstaat,
Musik im Gefaengnis,
Musik in Ghettos (wie Theresienstadt) u.a.;
- die Freiheit des Zuhoerers, sich bestimmte Werke bzw. Stilrichtungen anzuhueren;
- Musik, die den Komponisten, Interpreten bzw. Zuhoerer nicht loslaesst
("Macht der Musik" oder "Ohrwurm"?);
- Musik und andere Kuenste (Tanz, Literatur, Theater, Kino, Video): wechselseitige Einfluesse;
- Musiker als Machtmenschen (Orchesterleiter, Diskjockeys, aber auch Schamane, Orakel etc.) u.v.a.

Darueber hinaus sind die Teilnehmer eingeladen, eigene Fragestellungen und Musikbeispiele zur Diskussion einzubringen: von Gregoreanik bis Techno, von Bach bis zur chinesischen Oper und "World Music" - auch in eigener Interpretation - ist alles willkommen.


Empfohlene Internet-Seiten

- "Authentizitaet in der mittelalterlichen Musik?"

- "Mozart - Ordnung - Freiheit"

- "Migration und Musik" oder was die Cusaner im Schloss Spindlhof/Regenstauf (nicht) gehoert haben

- "Frederic Chopin im Computergarten"

- Harry Lachner. "Jazz. Schwarz und Weiss"

- Harry Lachner. "Improvisation - Komposition: eine musikalische Affaere"

- Pascal Decroupet. "Dem Zufall einen bestimmten Raum ueberlassen. Aleatorik und Indetermination"

- "Arnolds Schoenbergs Suche nach Fasslichkeit"



Empfohlene Literatur

- Thomas Mann. Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkuehn, erzaehlt von einem Freunde. Kapitel XXII [zur Zwoelftontechnik].

- Fred K. Prieberg. Musik und Macht. Frankfurt am Main: Fischer, 1991.

- John Cage. Silence / uebersetzt von Ernst Jandl. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1987.
Abschnitt "Von fuenf Gesichtspunkten", S. 82-93.

- Boris PASTERNAK, Chopin / [Trad. di Carlo Riccio] // "Tempo presente", a.VII, N° 8, agosto 1962, p.579-581 [ristampato in: Claudia COLOMBATI, Musica e libertà : identità e contraddizione in quattro saggi - Roma : Edizioni dell?Ateneo, 1983, p.225-228 - (Università di Macerata. Pubblicazioni della Facoltà di Lettere e Filosofia. Istituto di Filologia moderna ; 13)]

Hemetek, Ursula (Hrsg.) unter Mitarbeit von Emil H. Lubej: Echo der Vielfalt / Echoes of Diversity. Traditionelle Musik von Minderheiten / ethnischen Gruppen. Traditional Music of Ethnic Groups / Minorities. Wien, Koeln, Weimar: Boehlau Verlag, 1996.



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